Es zeichnet sich ab, dass mit der digitalen Transformation eng verbundene Veränderungen im Arbeitskonzept (“New Work”) mit dem Fokus auf Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung sowie den flexiblen Formen der Arbeitsorganisation nachhaltig sein werden. Das Thema der “Kompetenzen für New Work” wird im Rahmen des Moduls von zwei Perspektiven aus betrachtet. Auf der einen Seite steht die Frage im Vordergrund, welche Kompetenzen es für uns als Bildungsverantwortliche (zukünftig) bedarf. Auf der anderen Seite soll es darum gehen, welche Kompetenzen für unsere Zielgruppe zunehmend wichtiger werden und wie diese entwickelt werden können:
In der New Work Charta von Väth (2019) ist das Verständnis von New Work wie folgt definiert: Seiner Meinung nach basiert New Work auf den fünf Prinzipien Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und soziale Verantwortung:
Für mich persönlich bedeutet New Work:
Dies erfordert ein Loslassen vom Bisherigen und Offensein für Neues. Loslassen von Kontrolle und Kontrollansätze und damit ein Sich-darauf-Einlassen. Es erfordert auch ein Selberdenken und Mithandeln jedes einzelnen Beteiligten.
Studien/Umfragen zu New Work
In jährlichen Abständen erfasst das New Work Barometer (NWB) aktuelle Trends und Entwicklungen von New Work. Dabei wurde unter anderem erfasst, welche Praktiken für die Befragten New Work repräsentierten (linke Abbildung). Interessant ist dabei, welche Massnahmen mit welcher Verbreitung eingesetzt wurden (rechte Abbildung). So finden sich hier mit den drei Aspekten “Arbeitszeitautonomie”, “Arbeitsortautonomie” und “Ausgabe von mobilen Technologien” solche, die stärker auf ein Verständnis von New Work als Homeoffice hindeuten. “Empowermentorientierte Führung”, die Facette von New Work mit der höchsten Zustimmung, ist in der Verbreiterung nur im Mittelfeld anzutreffen.
HR-Report von Hays (2021)
Der Personaldienstleister Hays veröffentlicht jährlich einen HR-Report. Um herauszufinden, wie das Thema New Work in den Unternehmen etabliert ist, wurden 2021 mehr als 1’000 betriebliche Entscheider/-innen aus der DACH-Region befragt. Ausgangspunkt für die Erfassung der Verbreitung von New Work bildeten die vier Felder:
Der allgemeine Kompetenzbegriff wird in der Literatur und Praxis häufig mit unterschiedlichen Facetten definiert. Eine im Bereich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oftmals verwendete Definition findet sich bei Erpenbeck, von Rosenstiel, Grote und Sauter (2017). Demnach sind Kompetenzen:
“geistige oder physische Selbstorganisationsdispositionen, sie umfassen Fähigkeiten, selbstorganisiert und kreativ zu handeln und mit unscharfen oder fehlenden Zielvorstellungen und Unbestimmtheit umzugehen.”
Die Definition von Erpenbeck et al. (2017) fokussiert insbesondere die Bewältigung von Arbeitssituationen in der VUCA-Welt. Demnach ist die (digitale) Arbeitswelt zunehmend von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Unbestimmtheit / Vagheit) geprägt. Umso wichtiger erscheinen in diesem Umfeld die Dispositionen zur Selbstorganisation, um mit dieser Unbestimmtheit kompetent umgehen zu können.
In einigen Untersuchungen wurde versucht, diese Kompetenzen näher zu bestimmen und zu klassifizieren. Dabei ist das Konzept der “Future Skills” entstanden.
Mit Future Skills wird eine «wichtige Teilmenge aller in Zukunft erforderlichen Fähigkeiten bezeichnet, zum einen zeitlich eingegrenzt auf die kommenden fünf Jahre, zum anderen inhaltlich fokussiert auf das Merkmal der branchenübergreifend steigenden Bedeutung. In dieser Definition von Future Skills sind sämtliche Fähigkeiten ausgeklammert, die entweder eindeutig branchen- oder fachspezifisch sind oder deren Bedeutung relativ zu anderen Fähigkeiten abnehmen wird.»
Eine komplexere Definition, die sich auch stärker am Kompetenzbegriff orientiert, findet sich bei Ehlers (2020). Demnach sind Future Skills:
Kompetenzen, die es Individuen erlauben in hochemergenten Handlungskontexten selbstorganisiert komplexe Probleme zu lösen und (erfolgreich) handlungsfähig zu sein. Sie basieren auf kognitiven, motivationalen, volitionalen sowie sozialen Ressourcen, sind wertebasiert, und können in einem Lernprozess angeeignet werden.
Emergenz bezeichnet dabei jenen Prozess, in dem neue Eigenschaften oder Strukturen eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente entstehen.
Im Rahmen einer Online-Befragung im Auftrag von XING wurden im Februar 2021 2’000 Beschäftigte in der DACH-Region dazu befragt, welche Skills mit Blick auf New Work zukünftig besonders wichtig sein werden. Die Top 10 Zukunftskompetenzen im Überblick:
Future Skills nach McKinsey (Stifterverband)
Auf Basis einer breit angelegten Befragung identifizierte McKinsey 2021 insgesamt 56 sogenannte “distinct elements of talents” (DELTAs):
Kompetenzen der Zukunft nach dem Gottlieb Duttweiler Institut (GDI)
Das GDI hat in seiner Studie “Future Skills” vier Zukunftsszenarien entwickelt und daraus die benötigten Kompetenzen abgeleitet:
Für die beiden Extremszenarien sind die benötigten Kompetenzen in den folgenden zwei Abbildungen beispielhaft dargestellt:
Future Skills in der Hochschulbildung
Nachfolgende Abbildung gibt eine Übersicht, wie sich die 17 identifizierten Profile in den betrachteten deutschsprachigen Studien wiederfinden. Besonders häufig tauchen dabei die “Selbstkompetenz“, die “Kooperationskompetenz“, die “Lernkompetenz“, die Digitalkompetenz” und die “Reflexionskompetenz” auf:
Reflexionsfragen
Medienkompetenz umfasst nach Baacke (1997) die vier Dimensionen Medienkritik (=Fähigkeit zu entscheiden, welches Medium für eine bestimmte Tätigkeit geeignet ist), Medienkunde (=Wissen über Medien und Mediensysteme), Mediennutzung (=Umgang mit Medien) und Mediengestaltung (=Produktion eigener Medien).
Eine besonders umfassende Definition von digitaler Kompetenz, die gleichzeitig die Grundlage für den europäischen Referenzrahmen DigComp 2.1 bildet, findet sich bei Ferrari, Punie & Redecker (2012):
“Digitale Kompetenz ist die Menge an Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen, Fähigkeiten, Strategien und Bewusstsein, die erforderlich sind, wenn IKT und digitale Medien zur Erfüllung von Aufgaben eingesetzt werden; Probleme lösen; kommunizieren; Informationen verwalten; sich ethisch und verantwortungsbewusst verhalten; zusammenarbeiten; Inhalte und Wissen für Arbeit, Freizeit, Teilhabe, Lernen, Geselligkeit, Empowerment und Konsum schaffen und teilen.”
Aus dieser Definition wird ersichtlich, dass es nicht nur darum geht, Kenntnisse und Fertigkeiten zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) aufzubauen, sondern auch eine (kritische) Haltung in diesem Zusammenhang einzunehmen.
Eines der bekanntesten allgemeinen digitalen Kompetenzmodelle ist der von der Europäischen Kommission entwickelte “Digital Competence Framework for Citizens”. Die aktuelle Version (DigComp 2.2) stammt aus dem Jahr 2022. In diesem wird die digitale Kompetenz in fünf Kompetenzbereiche ausdifferenziert:
Das SBFI hat vor dem Hintergrund der Strategie “Digitale Schweiz” 2019 den Orientierungsrahmen “Grundkompetenzen in IKT” verabschiedet. Im Orientierungsrahmen werden fünf Handlungskompetenzbereiche bezogen auf IKT unterschieden, die in Form von Handlungskompetenzen weiter differenziert werden:
Ein Auszug wie die Handlungskompetenzen weiter ausdifferenziert werden, ist in der folgenden Abbildung zu entnehmen:
Rahmenmodell “Kompetenzen in der Personalentwicklung”
Um die digitale Transformation der gesamten Organisation mitzugestalten, ist es für Personalverantwortliche im Betrieb hilfreich, relevante Kompetenzbereiche für die Organisation zu identifizieren. In einer Studie wurden 14 “grundlegende” Kompetenzen in drei Kompetenzbereiche gruppiert, die in einer “digitalen Ökonomie” von Bedeutung sind:
Die höchsten Zuwächse erfahren dabei Communicating Data (Wissen über Prinzipien der Datenvisualisierung und Fähigkeit zur Visualisierung von Daten mit geeigneter Software), Digital Security & Privacy (Kompetenzen zur Netzwerksicherheit, Kryptographie und Angriffserkennungssystemen) und Analyzing Data (Machine Learning, Big Data-Analysen, Deep Learning etc.)
Digitale Kompetenzen von Bildungsverantwortlichen in Bildungsorganisationen
Neben dem allgemeinen Referenzrahmen DigComp 2.2 wurde auch ein Konzept für die Modellierung digitaler Kompetenzen in Bildungsorganisationen entwickelt (DigCompOrg). Zwei Ziele werden dabei verfolgt:
Das Modell nach DigCompOrg umfasst insgesamt sieben Kernkompetenzen, die wiederum in 15 Kompetenzbereiche mit insgesamt 74 Deskriptoren ausdifferenziert werden. Eine achte Kernkompetenz wird dabei offengelassen und kann sektorspezifisch ergänzt werden:
Mit DigCompEdu wurde ein Kompetenzmodell für Lehrende im schulischen und hochschulischen Kontext sowie im Bereich der Erwachsenenbildung entwickelt. In diesem werden sechs Kompetenzbereiche unterschieden, die sich wiederum der professionellen bzw. pädagogisch-didaktischen Kompetenz zuordnen lassen:
Unter Professional Engagement wird insbesondere das Berufsumfeld betrachtet. Hierunter fallen bspw. Aspekte, inwiefern digitale Medien genutzt werden, um die organisatorische Kommunikation mit Lernenden, Eltern und weiteren Personen zu verbessern oder auch, inwiefern die eigene Praxis des Einsatzes digitaler Medien in der Lehre kritisch reflektiert wird.
Digitale Ressourcen beinhaltet jene Kompetenz von Lehrenden, geeignete digitale Lehr- und Lernressourcen zu identifizieren, auszuwerten und auszuwählen. Dies schliesst die Erstellung und Anpassung sowie das Organisieren, Schützen und Teilen von digitalen Ressourcen mit ein.
Die Kernkompetenz des Lehrens und Lernens wird in der dritten Kompetenzfacette fokussiert. Hierunter werden Tätigkeiten wie die Gestaltung und Planung des Einsatzes von digitalen Materialien im Unterricht, die Begleitung des Lernens durch Nutzung digitaler Medien sowie die Förderung der Kollaboration und Selbststeuerung des Lernens gefasst.
Zur Evaluation wird die Erhebung des Lernstands mit digitalen Medien, die Analyse von Lern-Evidenzen (i. S. v. Learning Analytics) und die Gabe von Feedback gerechnet.
Mit dem Aspekt der Lernbegleitung geht auch die verstärkte Lernerorientierung einher. Hierbei soll der digitalen Teilhabe des Lernenden, der Individualisierung des Lernens und der aktiven Einbindung des Lernenden Rechnung getragen werden.
Zuletzt manifestiert sich eine ausgeprägte digitale Kompetenz von Lehrenden darin, dass sie auch den Lernenden ihrerseits Möglichkeiten bietet, digitale Kompetenzen auf- bzw. auszubauen.
Insgesamt werden im DigCompEdu 22 Kompetenzen erfasst. Diese werden wiederum analog zum Europäischen Referenzrahmen für Sprachen in sechs Kompetenzstufen differenziert. Auf der ersten Kompetenzstufe stehen Einsteiger (A1), die bislang nur wenig Berührungspunkte mit digitalen Medien hatten und Hilfestellung benötigen, digitale Strategien für den Unterricht zu entwickeln. Demgegenüber stehen auf der höchsten Kompetenzstufe die Vorreiter (C2), die die Angemessenheit digitaler Medien hinterfragen und neue digitale Lehrstrategien entwickeln.
Es wird im Rahmen eines Entwicklungsmodells davon ausgegangen, dass Lehrende sich über die verschiedenen Kompetenzstufen von A1 bis C2 sukzessive entwickeln können.
Ähnlich wie beim allgemeinen DigComp 2.2 haben sich auch für das DigCompEdu verschiedene Tools zur Selbsteinschätzung durchgesetzt, die zur Reflexion der eigenen digitalen Lehrkompetenz eingesetzt werden können. Ein Tool für den Hochschulkontext steht bspw. unter folgendem Link zur Verfügung:
Mit dem digi.kompP wurde von der Virtuellen PH Österreich ein digitales Kompetenzmodell für Pädagogen entwickelt. Unterschieden werden im digi.kompP-Modell acht Kategorien von A = Digitale Kompetenzen & informatische Bildung bis H = Digital weiterlernen. Kategorie A beinhaltet dabei alle Facetten des Kompetenzmodells digi.komp12. Es beschreibt, über welche digitalen Kompetenzen und informatische Bildung Schulabgänger nach der Matura verfügen sollten. Diese umfassen neben der Anwendung und Erstellung von digitalen Medien (z. B. Produktion von digitalen Medien in Form von Text, Ton, Bildern und Filmen) auch Aspekte der Praktischen Informatik (z. B. Anwendung intelligenter Informatiksysteme). Die Kategorien B bis H sollen sukzessive im Laufe der Ausbildung sowie der späteren Arbeitstätigkeit als Pädagoge entwickelt werden.