Lernkultur: Analyse & Veränderungsimpulse

Transferphase

Quelle: https://www.scil.ch

Ausgangslage

Laut einer Stellungnahme der Swiss Paramedic Association vom Januar 2023 ist der Fachkräftemangel auch im Rettungsdienst spürbar. Dies zeigt sich unter anderem in einer Vielzahl offener Stellenanzeigen in der gesamten Schweiz. Die Problematik ist nicht neu, hat sich aber im Zuge der Corona-Pandemie in den letzten zwei Jahren verschärft. Viele Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter haben in den vergangenen Monaten die Branche verlassen oder ihr Arbeitspensum zum Teil erheblich reduziert. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. In den letzten Jahren hat die Belastung in den Rettungsdiensten spürbar zugenommen. Die Anzahl der Einsätze steigt aufgrund der wachsenden Bevölkerung (insbesondere älterer Generationen) und der Überbelastung verschiedener Bereiche des Gesundheitswesens stetig an (z.B. Fachkräftemangel in Kliniken oder bei Haus- und Notfallärztinnen und -ärzten). Laut den Jahresberichten der Rettungsdienste stieg die Zahl der Einsätze im Jahr 2022 um 10-20%. Dementsprechend sind die Mitarbeitenden in den Rettungsdiensten während der Schichten immer stärker ausgelastet. Sie suchen frühzeitig nach Entwicklungsmöglichkeiten und wechseln die Branche, da eine Tätigkeit im Rettungsdienst aufgrund der physischen und psychischen Belastungen heutzutage kaum noch bis zur Pensionierung durchführbar ist. Viele Mitarbeitende, insbesondere aus der jüngeren Generation, nutzen zudem immer häufiger die Möglichkeit der Teilzeitarbeit. 

Die Swiss Paramedic Association fordert infolgedessen drei Stossrichtungen zur Verbesserung der Situation:

  • Anpassung der Einsatztaktik
  • Optimierung der Arbeitsbedingungen
  • Entwicklung von Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten

Letzteres umfasst neue und attraktive Weiterbildungs- und Anschlussmöglichkeiten für das Rettungsdienstpersonal. Das betrifft einerseits eine verbesserte Durchlässigkeit in andere Gesundheitsberufe und anderseits Optionen für Fachkarrieren im Rettungsdienst. Als Verantwortlicher für Aus- und Fortbildungen sehe ich es als meine Pflicht an, entsprechende Strukturen im eigenen Unternehmen zur Förderung von Fachkarrieren zu schaffen und gleichzeitig einen Beitrag zur Lösung des Fachkräftemangels zu leisten. Erste Schritte haben wir Anfang dieses Jahres, indem wir im Rahmen einer zweitägigen Klausurtagung mit dem Leitungsteam und Mitarbeitenden aus dem Team das Organigramm überarbeitet und neue Fachbereiche geschaffen haben. Mit diesen neuen Fachbereichen möchten wir einerseits die Mitarbeitenden stärker in die Entwicklung des Rettungsdienstes einbinden und anderseits die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen. In der folgenden Abbildung ist das neu gestaltete Organigramm dargestellt. Die dunkelgrünen Bereiche waren bereits vorhanden, während die hellgrünen Bereiche neu geschaffen wurden oder zum Teil über spitalinterne Abteilungen (z.B. Hygiene) organisiert waren, jedoch ohne direkte Schnittstelle zum Rettungsdienst:

Quelle: Eigene Darstellung

In weiteren Folgesitzungen mit dem Leitungsteam haben wir die Ideen und Entwürfe aus der zweitägigen Klausurtagung weiterentwickelt und passende Stellenbeschreibungen erstellt. Basierend auf diesen Stellenbeschreibungen konnten die Mitarbeitenden im Rahmen des jährlichen Mitarbeitergesprächs (MAG) ihre persönlichen Interessen und Ziele einbringen. Inzwischen sind alle Fachbereiche besetzt, sodass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter zumindest in einem Fachbereich eine Aufgabe hat, selbst wenn es nur als unterstützendes Teammitglied ist. Nun stellt sich natürlich die Frage, wie dies umgesetzt werden soll, wenn ein Fachkräftemangel besteht und die Belastung für die Mitarbeitenden gestiegen ist? Dies möchten wir einerseits durch den vermehrten Einsatz von Freelancer-Diensten erreichen, um unseren Mitarbeitenden die benötigten Zeitressourcen für den Aufbau und die Entwicklung ihrer Fachbereiche zur Verfügung stellen zu können. Andererseits haben wir zu Beginn dieses Jahres die Anzahl der Ausbildungsplätze erhöht, was zusätzliche Fachkräfte auf den Markt bringt, die nach sechs Monaten Ausbildungsdauer als vollwertiges Teammitglied eingeplant werden können. Mit diesen neuen Fachbereichen möchten wir unseren Mitarbeitenden neue Perspektiven bieten, in denen sie sich weiterentwickeln können. Darüber hinaus möchten wir eine entwicklungsförderliche Führungskultur einführen, in der das Team stärker und agiler in die Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen werden kann, um eine hohe Ausrichtung und Autonomie zu ermöglichen:

Quelle: Scheller T., 2017, Auf dem Weg zur agilen Organisation

Der Rettungsdienst wird häufig als “Sackgassenberuf” bezeichnet, da es nicht viele Möglichkeiten für berufliche Weiterentwicklungen gibt. Persönlich kann ich dieser Aussage nicht zustimmen. Meiner Meinung nach gibt es durchaus verschiedene Entwicklungsfelder, insbesondere wenn innerhalb der Organisation verschiedene Fachbereiche geschaffen und auf mehrere Mitarbeitende verteilt werden. Das bedeutet, sich von einer autoritären Führungskultur zu verabschieden und stattdessen eine entwicklungsfördernde Führungs- und Lernkultur zu etablieren. Die Kultur ist dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor, oder um es mit der Metapher von Peter Drucker auszudrücken: “Culture eats strategy for breakfast”.

Ziel dieser Transferarbeit

In dieser Transferarbeit möchte ich gezielt Veränderungsimpulse bezüglich der Implementierung einer entwicklungsförderlichen Führungs- und Lernkultur aufzeigen und daraus entsprechende Ansatzpunkte ableiten.

Veränderungsimpulse

Bei der gezielten Formulierung von Veränderungsimpulsen orientierte ich mich an den drei Ebenen von Edgar Schein:

  • Artefakte: Dies bezieht sich auf die sichtbaren und greifbaren Aspekte einer Organisations- und Lernkultur (z.B. konventionalisierte Praxis, Prozesse und Infrastrukturen)
  • Werte und Normen: Hierbei handelt es sich um gemeinsame Überzeugungen, Prioritäten und Verhaltensstandards innerhalb einer Organisation (z.B. Werte, Einstellungen und Präferenzen)
  • Grundannahmen: Dies umfasst nicht hinterfragte Annahmen, welche das Verhalten und die Entscheidungen innerhalb einer Organisation beeinflussen.
Um zeitnah erste Schritte in Richtung einer entwicklungsförderlichen Führungs- und Lernkultur zu ermöglichen, lag mein Fokus bewusst auf den drei Trägergruppen Beschäftige (MA), Führungskräfte (FK) und Bildungsverantwortlichen (BV). Es ist wichtig zu beachten, dass es innerhalb dieses Systems weitere Entscheidungsträger gibt (u.a. die Personalabteilung und die Geschäftsleitung des Kantonsspitals Baselland). Diese Entscheidungsträger sollten selbstverständlich nicht ausser Acht gelassen werden, insbesondere wenn es um die Bereitstellung von übergeordneten Ressourcen geht (z.B. Funktionsentschädigungen und Budgetfreigaben). Es ist wichtig darauf zu achten, dass diese Vorgehensweise gegenüber allen Trägergruppen transparent gemacht wird und keine abschliessenden finanziellen Zusagen getätigt werden können. Nichtsdestotrotz liegt vieles in unseren eigenen Händen, indem wir unsere vorhandenen Ressourcen entsprechend ausrichten und nutzen.
 
Erste Veränderungsimpulsen sind in den folgenden zwei Darstellungen beschrieben:

Erste Schritte basierend auf diesen Ansatzpunkten wurden bereits ausgeführt. Als Bildungsverantwortlicher (BV) habe ich auf einem Miro-Board einen Entwurf erstellt, der das Verständnis von agiler und gleichzeitig entwicklungsförderlicher Führungs- und Lernkultur verdeutlicht. Zunächst wurden diese Inhalte den Führungskräften (FK) im Rahmen einer Kadersitzung präsentiert und diskutiert. Anschliessend wurden sie den neuen Fachverantwortlichen während der Kick-off-Sitzung vorgestellt und gemeinsam besprochen. Das Fazit zum vorgestellten Entwurf wurde von allen beteiligten Akteuren durchweg positiv aufgenommen. Dies unterstreicht das gemeinsame Interesse an der Entwicklung einer entwicklungsförderlichen Führungs- und Lernkultur sowie das Engagement aller Beteiligten, um diese Veränderungen erfolgreich umzusetzen. Nachfolgender Link führt zum Miro-Bord:

Im nächsten Schritt planen wir, zusammen mit unserem Leitungsteam ein Verständnis von agiler und entwicklungsförderlicher Führungs- und Lernkultur zu formulieren. Dieses soll als Grundlage dienen, um weitere Veränderungsimpulse zu definieren und somit effektiv und spürbar in die praktische Arbeit zu integrieren.

Des Weiteren habe ich auf einem Miro-Board einen ersten Entwurf eines potenziellen Laufbahnmodells für die verschiedenen Fachbereiche ausgearbeitet. Der nächste Schritt besteht darin, dieses Modell gemeinsam mit den Führungskräften und den jeweiligen Fachverantwortlichen zu vervollständigen und zu finalisieren. Hier der Link zum Miro-Board:

Das Budget für die Fort- und Weiterbildung im Jahr 2023 wurde bereits zu Beginn dieses Jahres festgelegt und geplant. Dennoch gelang es uns durch Umplanungen, einigen Mitarbeitenden in einem Fachbereich individuelle Weiterbildungsangebote anzubieten. Beispielsweise können drei Mitarbeitende noch in diesem Jahr die PEER-Grundausbildung absolvieren. Als Bildungsverantwortliche sind wir darauf bedacht, das Budget für Fort- und Weiterbildung in den kommenden Jahren so zu gestalten, dass wir unseren Mitarbeitenden jeweils individuelle Weiterbildungsangebote aus den Laufbahnmodellen ermöglichen können. Finanzielle Spielräume können wir beispielsweise durch die Erweiterung interner Fortbildungsangebote (z.B. die Fortbildungsreihe “Von Profis für Profis”) erzielen, da diese keine zusätzlichen Kurskosten verursachen.

Ein weiterer bereits initiierten Schritt in unserem Veränderungsprozess ist die Einführung eines regelmässigen Austauschs zwischen den Fachverantwortlichen aller Bereiche. Durch diese alle drei Wochen stattfindenden Treffen wird eine Plattform geschaffen, auf der bereichsübergreifende Anliegen besprochen und gemeinsam gelöst werden können.

Abschliessend lässt sich festhalten, dass uns noch eine Menge Arbeit bevorsteht. Diese Arbeit ist jedoch von intrinsischer Motivation geprägt, was zeigt, dass Alle Beteiligten von der Bedeutung und den positiven Auswirkungen der angestrebten Veränderungen überzeugt sind und sich engagiert dafür einsetzen, diese erfolgreich umzusetzen. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesen ersten Massnahmen einen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels beisteuern können, indem wir sowohl für unsere bestehenden Mitarbeitenden als auch für potenzielle neue Bewerberinnen und Bewerber attraktiv bleiben. Ein Zeichen dafür ist, dass wir bereits von zwei ehemaligen Mitarbeitern eine feste Anstellungszusage erhalten haben. Durch die Schaffung einer entwicklungsförderlichen Lern- und Führungskultur können wir ein Umfeld schaffen, in dem sich Fachkräfte weiterentwickeln und ihre Potenziale entfalten können, was langfristig zur Stärkung und Stabilisierung unserer Organisation beiträgt. 

Persönliche Reflexion

Das Modul Lernkultur war für mich äusserst interessant, da die Kultur innerhalb einer Organisation einen zentralen Ankerpunkt für jegliche Veränderungen darstellt. Ohne die Berücksichtigung der kulturellen Aspekte können Veränderungsimpulse nicht erfolgreich umgesetzt werden, denn sie bilden den Rahmen, innerhalb dessen sich die Mitglieder der Organisation entwickeln und agieren. Daher ist es unerlässlich, die Kultur in den Fokus zu nehmen, wenn nachhaltige und wirksame Veränderungen angestrebt werden.

Es ist richtig, dass in dieser Modularbeit Organisations- und Lernkultur miteinander vermischt wurden. Dennoch ist es meiner Meinung nach schwierig, diese beiden Aspekte klar voneinander zu treffen, da sie in vielerlei Hinsicht miteinander verflochten sind. Die Organisationskultur beeinflusst, wie Lernen und Entwicklung innerhalb der Organisation stattfinden, während die Lernkultur wiederum Einfluss auf die Gestaltung der Organisationskultur hat. Daher ist es wichtig, beide Aspekte gemeinsam zu betrachten, um ein umfassendes Verständnis der zugrundeliegenden Dynamiken und Wechselwirkungen zu erlangen. 

Diese Modularbeit stellte für mich persönlich eine grosse Herausforderung dar, hauptsächlich weil ich von Natur aus eher ein Praktiker bin. Das bedeutet, dass ich am liebsten direkt anwendbare Lösungen entwickle, die unmittelbar in die Praxis transferiert werden können, und salopp gesagt mich weniger intensiv mit der zugrundeliegenden Theorie und Modelle beschäftigen möchte. Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Kultur zeigt sich jedoch, dass es sich nicht um etwas handelt, das sich direkt und spürbar in die Praxis umsetzen lässt. Eine Kulturveränderung ist ein langfristiger Prozess, der viel Zeit in Anspruch nimmt. Insofern hat mich diese Aufgabe dazu gezwungen, mich intensiver mit der theoretischen Dimension auseinanderzusetzen und mein Verständnis für die Komplexität und Langfristigkeit von Kulturveränderungen zu schärfen.

Anmerkung: Im Rahmen dieser Transferarbeit habe ich ChatGPT als Unterstützung herangezogen. Einerseits diente es zur Generierung von Ideen für Veränderungsimpulse im Kontext einer entwicklungsförderlichen Führungs- und Lernkultur. Anderseits wurde es für das abschliessende Lektorat verwendet. 

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