Workplace Learning

Vorbereitungsphase

Quelle: https://www.scil.ch

Worum geht es und warum ist es ein Thema?

Workplace Learning ist eine verbreitete Bezeichnung für verschiedenste Formen des (informellen) Lernens im Arbeitsfeld bzw. am Arbeitsplatz. Warum Workplace Learning in der heutigen Zeit eine zunehmende Bedeutung hat, hat verschiedene Gründe:

  • Digitalisierung und Dynamisierung der Arbeitswelt
  • Diverse und diskontinuierliche Berufsbiografien (unterschiedliche Bildung- & Berufsbiografien)
  • Unzufriedenheit mit traditionellen (formalen) Lernarrangements
  • Betonung von Lerner-zentrierten Lernformen und -aktivitäten (aktiv im Lernprozess)
  • Anerkennung für die Bedeutung informell erworbenen Wissens am Arbeitsplatz
  • Entwicklung von Werkzeugen für informelles und selbstorganisiertes Lernen (flexible Lernformen, kooperatives & mobiles Lernen, kostenlos nutzbare Kursbibliotheken etc.)

Disziplinen & Schnittstellen von Workplace Learning

Workplace Learning kann an verschiedenen Disziplinen und Schnittstellen im Bereich der Arbeitswelt eingeordnet werden:

Quelle: Skript Workplace Learning - Scil

Einordnung zwischen Personal- und Organisationsentwicklung (inkl. 70:20:10-Modell)

Betriebspädagogik und arbeitsbezogenes Lernen

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Vor- und Nachteile gegenüber formal organisiertem Lernen

70:20:10-Modell zur Orientierung für leistungsstarke Personalentwicklung

70% durch Erfahrung – 20% aus sozialem Lernen – 10% aus formal organisiertem Lernen

Wie die davor aufgeführte Tabelle über die Vor- und Nachteile vom Lernen am Arbeitsplatz bereits zeigt, sind dem informellen Lernen auch Limitationen gesetzt. Dehnbostel sagt: Eine umfassende berufliche Kompetenzentwicklung ist nur auf der Basis der Verbindung von informellem Lernen mit internationalem, organisiertem Lernen innerhalb und ausserhalb von Unternehmungen einzulösen.

Lernlandschaften

Die Bildungsverantwortlichen sind nicht für alle diese Formate gleichermassen verantwortlich. Sie verantworten primär die auf der linken Seite repräsentierten Formate. Je weiter rechts ein Format in der Abbildung steht, desto mehr Verantwortung übernehmen die Mitarbeitenden selbst und die Bildungsverantwortlichen sind eher in einer unterstützenden oder fördernden Rolle beteiligt. 

Erfolgsfaktoren für informelles Lernen (nach Seufert et al.)

Die Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsaufgaben haben nicht nur Auswirkungen auf Wahrnehmung, Motivation und Verhalten der Mitarbeitenden, sondern auch auf die Lern und Entwicklungsfähigkeit. Relevante Gestaltungsaspekte sind u.a. Autonomie im Arbeitshandeln, Herausfordernde Aufgaben sowie Feedback und Austausch mit den Abnehmern der eigenen Arbeitsergebnisse. 

Lernen über verschiedene Entwicklungsstufen hinweg

Damit informelles Lernen ermöglicht bzw. unterstützt wird, können Bildungsverantwortliche an folgenden Ansatzpunkten ansetzen:

  • bei der Gestaltung der fachlichen Orientierung von neuen Mitarbeitenden
  • bei der Gestaltung der sozialen Einführung von neuen Mitarbeitenden
  • in Phasen der Ausweitung der Aufgaben von Mitarbeitenden und der Entwicklung von neuen Fertigkeiten
  • bei der Bewältigung von neuen Herausforderungen und dem “auf-dem-Stand-halten” des Fachwissens
  • und schliesslich bei Aktivitäten zur Entwicklung von Karrierepläne und der Vorbereitung des Wechsels zu einer nächsten Position.

Meine letzte Woche

Modern Workplace Learning (Jane Heart)

Informelles Lernen von und mit Peers

Aus organisationaler Sicht ist WOL ein Ansatz für das Etablieren einer auf Kooperation ausgerichteten Lern- und Arbeitskultur. Zentral dabei sind WOL-Zirkel. Dies sind kleine Gruppen, in denen im Rahmen eines 12-wöchigen Programms wechselseitige kollegiale Unterstützung praktiziert wird. Hier die Anleitung dazu:

LernOS als Betriebssystem für die Arbeit der Zukunft

Um die Zukunft der Arbeit erfolgreich zu gestalten, sind Ansätze des lebenslangen, individuellen Lernens und des ganzheitlichen, organisationalen Lernens Voraussetzungen. LernOS definiert drei Bereiche für die Entwicklung von Wissensarbeit:

  • Mindset: die Grundannahme über die Welt und die Werte, nach denen gehandelt wird. Da sich niemand das benötigte Wissen in seiner Lebenszeit selbst erarbeiten kann, sind Vernetzung und Gemeinschaft mit anderen Menschen sowie die Offenheit diese einzugehen erfolgskritisch. 
  • Skillset: die auf Basis von Wissen und Erfahrung entwickelte Fähigkeiten, die sich in sichtbarem Verhalten zeigen. Starke Nachfrage nach analytischen und sozialen Nicht-Routine-Tätigkeiten, welche durch künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen nicht zu ersetzen sind. 4K-Modell (Kritisches Denken – Kreativität – Kommunikation – Kollaboration). Dazu kommt noch “Digital Literacy” (Lesen: Suchen, Navigieren, Kombinieren, Beurteilen / Schreiben: Gestalten, Programmieren, Kursieren, Überarbeiten, Neu zusammenstellen / Partizipieren: Teilen, Mitarbeiten, Öffnen (Open Practice), Schützen, Vernetzen)
  • Toolset: die (IT-)Werkzeuge und Methode, die zum Lösen von Problemen und Erledigung von Aufgaben verwendet werden. Zu den zentralen Werkzeugen für Wissensarbeiter gehören: Soziale Netzwerke, Blogs, Wikis, Podcast, Video-Plattformen. In den Werkzeugkasten für das 21. Jahrhundert gehören auch Methoden und Formate die Kreativität, Kommunikation und Zusammenarbeit fördern (Barcamps, Communities of Practice, Co-Working, Design Thinking, Future Backwards, Hackathons, MOOC, Scrum uvm.) 
LernOS Sprint - Quelle: Simon Dückert 2018
LernOS Canvas - Quelle: Simon Ducket 2018

Für den LernOS Core werden aus folgende Elemente und Prinzipien herangezogen:

  • Objectives & Key Results: bilden den Grundmotor für lebenslanges Lernen, indem sie kontinuierlich und selbstorganisiert neue Arbeits- und Lernziele setzen. Diese werden alle 3 Monate reflektiert. Der entstehende Zeitraum von 13 Wochen wird wie bei Scrum “Sprint” genannt.
  • Weekly Check-In: Ein wöchentlicher Regeltermin um die Fähigkeiten in den Bereichen Mindset, Skillset und Toolset zu trainieren.
  • Circle: Dient der Hilfestellung und gegenseitiger Motivation.
  • Networking: LernOS verwendet das strategische Networking über soziale Netzwerke aus WOL, um von Wissen und Erfahrungen der Personen innerhalb und ausserhalb der Organisation profitieren zu können.
  • Repositories: Referenzablage, in denen Wissensobjekte für den eigenen Zugriff, aber auch für Netzwerkpartner abgelegt werden können.
Der LernOS Canvas dient als visuelle Checkliste und als Rahmen, um ihren Ansatz anderen Personen strukturiert erzählen zu können.

Die Circle-Mitglieder sollten sich aus Gründen von Offenheit, Wissenstransfer und Diversität abteilungs- oder organisationsübergreifend zusammensetzen..

Diese fünf Schritte helfen bei einem reibungslosen Start:

  1. Zeit einplanen
  2. Objective & Key Results planen: Verwende die Woche 0, um die Ziele und die messbaren Schlüsselergebnisse für den Sprint zu definieren.
  3. Circle finden: 3-4 Menschen suchen, die im gleichen Quartal einen Sprint starten wollen.
  4. Weekly Check-In organisieren: Am besten einen “Circle Facilitator” definieren, der sich um Terminkoordination und die Infrastruktur für Kommunikation und Dokumentation kümmert.
  5. Plan.Do.Learn.Repeat: Bei lebenslangem Lernen ist nach dem Sprint auch vor dem Sprint. Nutzt die Woche 0 des folgenden Sprints für eine gemeinsame Retrospektive und für die Planung des nächsten Sprints. 

Befähigung für Workplace Learning

Die Erfahrung zeigt, dass Mitarbeitende oft kein gut entwickeltes Handwerkszeug dafür mitbringen und zunächst einmal in ihrer Fähigkeit, systematisch Wissen aufzubauen und zu lernen, unterstützt werden müssen. So hat z.B. Koch (2015) konstatiert, dass etwa 50% der Beschäftigten nur mit erheblichem Aufwand oder gar nicht zu selbständig lernenden, lernagilen Personen entwickelt werden können.

Selbstgesteuertes Lernen und persönliches Wissensmanagement

Die drei mentalen Basisprinzipien, damit selbstgesteuertes Lernen und persönliches Wissensmanagement funktionieren kann (nach Reinmann & Eppler):

  • Kognitive Prinzipien wie das Ausdifferenzieren von Konzepten
  • Metakognitive Prinzipien wie das Planen von Lernaktivitäten
  • Emotionale Prinzipien wie z.B. sich selbst für Geleistetes belohnen.

Methoden und Techniken

Quelle: Skript Scil

Die folgende Abbildung zeigt, welche Methoden und Werkzeugen eingesetzt werden können, um für einen Workshop ein neues Wissensgebiet zu erschliessen:

Die meisten betrieblichen Bildungsbereiche sehen formal organisierte Kompetenzentwicklung nach wie vor als ihr Kerngeschäft. Möglicherweise würde aber ein grösserer Wertbeitrag realisiert, wenn das systematische Entwickeln und Stärken von Kompetenzen für selbstgesteuertes Lernen und persönliches Wissensmanagement als zumindest gleichwertige Aufgabe gesehen und angenommen würde. 

Evaluation

Die Rahmenbedingungen von informellen Workplace Learning und formalen Lernaktivitäten unterscheiden sich, womit auch etablierte Rahmenmodelle zur Evaluation nicht ohne weiteres angewendet werden können.

1. Beobachtung ausgewählter Beschäftigungsgruppen mit möglichen Leitfragen:

  • Was waren wichtige Lernerfahrungen (ausserhalb von Kursen und Lehrgängen) auf dem Weg zu effektivem Arbeiten?
  • Wo und wie kam es zu diesen Lernerfahrungen?
  • Wie zufrieden seid ihr mit euren informellen Lernerfahrungen?
  • Wie könnte dieses informelle Lernen verbessert / besser unterstützt werden?

2. Beobachtung über den Verlauf von Karrierephasen

  • Was sind zentrale Entwicklungsphasen für einen …-Spezialisten?
  • Welche Gelegenheiten für informelles Lernen gibt es in welchen Phasen?
  • Wie gut werden diese Gelegenheiten genutzt und wie ergiebig sind sie?
  • Wie könnte informelles Lernen in diesen verschiedenen Entwicklungsphasen besser unterstützt werden?
3. Beobachtung / Bewertung spezifischer Aktivitäten
 

4. Vergleich von Kompetenzniveaus über die Zeit

Dabei sind folgende Anforderungen zu berücksichtigen:

  • klare Definition der Kompetenzen, deren Niveau verglichen werden soll
  • klare Definition dazu, wie das Kompetenzniveau bestimmt wird (z.B. durch Selbsteinschätzung oder Test)
  • Berücksichtigung nur von Personen, die nicht an formal organisierten Lernaktivitäten zu den überprüften Kompetenzen teilgenommen haben.

Aufgaben für Learning Professionals

Workplace Learning gestalten?

Workplace Learning zu gestalten ist mit Vorsicht verbunden. Würden Bildungsverantwortliche solche Situationen bewusst gestalten, würden diese in der Tendenz dem formellen Lernen nahekommen. Dadurch könnten die motivatonalen Faktoren verloren gehen, die informelle Lernaktivitäten tragen (Eigenverantwortung, Selbststeuerung: “meine Ziele”, “meine Profilschärfung”).

Rahmenbedingungen gestalten

(Mit-)Gestaltung von Workplace Learning durch Bildungsverantwortliche ist vor allem im Hinblick auf die betrieblichen Rahmenbedingungen relevant. Dazu gehört die Beeinflussung der Erfolgsfaktoren für informelles Lernen:

  • Führungshandeln der Führungskräfte
  • lernförderliche Kultur
  • lernförderliche Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsaufgaben
  • Arbeitshilfen und Ressourcen
  • Infrastrukturen (z.B. gemeinsame Ablagebereiche, social media Plattformen)
  • flexibel nutzbare Arbeits- und Lernräume.

Den Zufall planen bzw. organisieren

Die Arbeit an den Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren kann auch als “Ermöglichen des Zufalls” verstanden werden. Als Ermöglichen von Situationen, in denen Lernen im Arbeitsfeld stattfinden kann, z.B. im Gespräch mit Kollegen/-innen in der Kaffee-Ecke, in der Working-out-loud-Gruppe oder im Rahmen eines Austauschs von fachbezogenen Ressourcen im social Intranet. Planen und organisieren lassen sich diese Lernmomente eher nicht. Aber Bildungsverantwortliche können daran mitarbeiten, Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass diese Momente stattfinden können.

Für Workplace Learning befähigen

Die Mitarbeitenden spielen eine tragende Rolle. Damit sind Kompetenzerfordernisse verbunden. Selbstgesteuertes, informelles Workplace Learning erfordert insbesondere individuelle Lernstrategien und Lerntechniken (z.B. Wesentliches erkennen, Informationen verdichten, Notizen anfertigen, persönliche Wissensstruktur anreichern) sowie Methoden des persönlichen Wissensmanagements (z.B. Notizen, Visualisierung, Wissensstrukturen über mobile Endgeräte und Apps überall im Zugriff halten und selektiv für andere verfügbar machen).

Daraus ergibt sich für Bildungsverantwortliche ein neues bzw. erweitertes Handlungsfeld: Mitarbeitende zu befähigen, informelle Lernaktivitäten im Arbeitsfeld gewinnbringend umzusetzen. Dies erfordert gegebenenfalls Unterstützung im Hinblick auf Lernstrategien, Lerntechniken und persönliches Wissensmanagement.

Workplace Learning beobachten / evaluieren

Es ist möglich, mehr Transparenz zu (informellem) Workplace Learning herzustellen. Gleichzeitig ist aber zu beachten, dass die Aussagekraft etwaiger Ergebnisse vermutlich nicht von der gleichen Qualität sein werden wie die Ergebnisse von gut gemachten Evaluationen formal organisierter Lern- und Entwicklungsprozesse. Erreichbar sind also eher beschreibende Charakterisierungen zu Umfang, Akzeptanz oder auch zu guter Praxis. 

Aufgaben für Bildungsverantwortliche

Die Aufgaben für Bildungsverantwortliche im Hinblick auf (informelles) Workplace Learning sind:

  1. Führungskräfte bei der lernförderlichen Gestaltung von Führungs-, Team- und Arbeitssituationen sowie Aufgabenstellungen unterstützen.
  2.  Gemeinsam mit anderen Funktionsbereichen die geeigneten organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen.
  3. Mitarbeitende bei der Entwicklung bzw. Erweiterung von Lernstrategien und Lerntechniken für selbstgesteuertes Lernen unterstützen.
  4. Transparenz herstellen.

Persönliche Zielsetzung für das Modul

In unserem Betrieb gibt es viele Momente in denen (informelles) Workplace Learning stattfindet. Insbesondere in der einsatzfreien Zeit diskutieren die Mitarbeitenden über erlebte Einsätze und tauschen sich gegenseitig über die Einsatzstrategie und Versorgung aus. Aber auch während dem Einsatz findet informelles Lernen statt, indem wir z.B. ein Team-Timeout vor wichtigen Entscheidungen einbauen. Hierzu dient das FORDEC: Facts – Options – Risks – Decision – Execution – Check, wo jeder sein Wissen und seine Ideen mit einbringt oder etwas nochmals mittels Checkliste, Algorithmen oder Internet geprüft wird, bevor z.B. eine Therapie eingeleitet wird. Aber auch nach dem Einsatz im Rahmen eines Debriefing findet informelles Lernen statt. Ich glaube jedoch, dass man sich diesem Lernen nicht abschliessend bewusst ist und dementsprechend wird es auch nicht kuratiert. Hier schlummert sicherlich noch viel Potenzial. Doch der nachfolgende Fokus interessiert mich für den Transferauftrag aktuell am meisten:

Im ersten Vertiefungstag hatten wir eine Gastreferentin (Britt Bürgy – tts digital adoption solutions), welche uns das Thema Performance Support näher gebracht hat. Während des Vortrages kam mir die Idee, dass wir Performance Support noch stärker in unserem Betrieb verankern können. Es gibt u.a. mehrere medizinaltechnische Geräte (Perfusoren, AutoPulse – automatische Reanimationshilfe, Beatmungsgerät etc.) oder auch Bereiche der Fahrzeugtechnik (z.B. das Anlegen von Schneeketten bei Doppelbereifung), welche nicht oft angewendet werden und ein sogenannter Performance Support zusätzliche Unterstützung bieten kann. Hierfür würde ich gerne mit 1-2 Gerätschaften ein Video drehen, welches im RTW mittels QR-Code am jeweiligen Gerät aufgerufen werden kann. Dieses Video kann z.B. bei der Vorbereitung eines Perfusors 1:1 abgespielt werden und so als Unterstützung dienen. Gleichzeitig können diese Videos aber auch für die Einführung von neuen Mitarbeitenden genutzt werden. So könnten diese Videos ins Einführungskonzept auf der QM-Plattform “Aldente” integriert werden. Ich bin gespannt auf den Prozess des Transferauftrages und dessen Resultat.

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